Helene Wolf – Das Geschenk war ein Gefühl

  Westfälische Nachrichten
Schöppingen-Eggerode – An das erste Weihnachtsfest nach der Vertreibung ihrer Familie aus Schlesien hat Helene Wolf besonders schöne Erinnerungen.
Die junge Familie – Alfred und Helene Wolf und ihre gerade geborene Tochter Irmtraud – lebte bis 1945 nach Ende des Krieges mit ihren Eltern auf einem kleinen Bauernhof im Kreis Frankenstein in Schlesien nahe Breslau.
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Das Weihnachtsfest konnte die Großfamilie noch wie all die Jahre zuvor auf dem Familienhof begehen. Auch die Verwandten aus der Stadt kamen zu Besuch und wurden mit Milch und anderen Lebensmitteln versorgt, man hatte ja noch den Garten gehabt und das Vieh im Stall.

Ruhe und Idylle auf dem Hof sollten aber bereits am 28. April 1946 jäh zu Ende gehen, als die gesamte Familie aus ihrer geliebten Heimat vertrieben wurde. Mit vielen anderen deutschstämmigen Schlesiern, unter ihnen auch viele Verwandte, wurden sie in Waggons verladen, die hinter ihnen zugesperrt wurden. Sie durften nur das Notwendigste, das sie tragen konnten, mitnehmen.

Alfred Wolf weilte bei seiner Familie. Er war am Kriegsende verwundet worden und musste deshalb nicht an die Front zurückkehren. Er konnte also die Seinen auf dem Transport begleiten und sorgte dafür, dass die sechs Kleinkinder mit Milch versorgt wurden, die er aus Wasser und Milchpulver herstellte. Die gesamte Fahrt dauerte neun Tage, und oft musste der Zug auf offener Strecke lange Zeit halten und stehen.

Die Fahrt ging von Frankenstein bis zum Lager Friedland und von dort weiter zu dem Auffanglager nach Lette.

Am 6. Mai kam Familie Wolf an ihrem Zielort Holtwick an, wo sie bei dem Bauern Stegemann einquartiert wurde. Vater Alfred verdingte sich in der ersten Zeit als Landarbeiter auf dem Hof, bis er eine Arbeit fand. Die junge Familie musste in den ersten beiden Jahre nicht selber ihre Mahlzeiten kochen, man aß zusammen mit der Familie.

So war denn auch das erste Weihnachtsfest in der neuen Heimat, das zusammen mit Familie Stegemann unter dem geschmückten Weihnachtsbaum gefeiert wurde, ein ganz besonderes Erlebnis. An Geschenke war natürlich nicht zu denken. Aber das wunderbare Gefühl, gut aufgenommen worden zu sein, war mehr als ein Geschenk. Helene Wolf – heute 99 Jahre alt – erinnert sich noch gut an das erste Weihnachtsfest. „Opa Stegemann war ein sehr kinderlieber Mann und ganz verrückt mit der kleinen Irmtraud“, erzählt sie. Er habe den ganzen Abend das Kleinkind auf seinem Arm getragen.